Lehr- und Fortbildungsschwerpunkte in Berlin (1994 – 2023)

Ein Forschungsinstitut ist nicht nur eine Ansammlung von Computern, Büchern und Zeitschriften, sondern es ist primär ein Schmelztiegel, ein „salad bowl“ von jungen, kreativen Köpfen, die, wenn sie beginnen, offen in alle Richtungen denken, (fast) alles, was etabliert ist, in Frage stellen und in drei bis vier Jahren in ihren Dissertationen neue Ideen und Konzepte entwickeln müssen. In den vergangenen 30 Jahren meiner Berliner Lehrtätigkeit haben – überwiegend mit wettbewerbs- und energierechtlichen Themen – 140 Doktoranden promoviert, darunter 18 mit summa cum laude.

I.

Die erste Generation der Assistenten, die mit Prof. Säcker 1994 von der Universität Kiel an die Freie Universität nach Berlin wechselte, nachdem ihre Vorgänger Marian Paschke, Detlev Joost, Kleanthis Roussos und Hartmut Oetker sich noch alle an der Universität Kiel habilitiert hatten und ordentliche Professoren geworden waren, bestand aus Jan Busche, Andrea Lohse und Jens Füller, denen sich später Frank Bayreuther und als Wirtschaftswissenschaftler Manuel Theissen hinzugesellten. Alle fünf haben sich habilitiert und wurden (abgesehen von einer Flucht in die Praxis) Universitätsprofessoren.

II.

Die Assistenten der ersten Berliner Jahre wurden in der zweiten Generation abgelöst von vier Assistentinnen, Urte Bruhn, Ute Caspar, Simone Kühnast und Marein Müller, die fast vergessen ließen, dass es gleichzeitig auch kompetente männliche Assistenten am Lehrstuhl gab, nämlich Jörg Jaecks und Thomas Dörmer. Die männlichen Kollegen mussten, was bei der ersten Generation der Assistenten noch nicht der Fall war, selber Kaffeetassen abwaschen und nach Institutsfeten mit aufräumen und spülen. Alle vier Assistentinnen waren, um einen olympischen Vergleich zu wagen, eher mit Artemis als mit Aphrodite vergleichbar. Sie waren Amazonen, die in der Argumentation das Schwert emanzipierter Frauen scharfzüngig zu nutzen wussten. Es war eine Phase besonders lebendiger und aufregender Diskussionskultur. Die männlichen Assistenten mussten so viel Kraft und Zeit in diese Diskurse investieren, dass sie erst nach ihrem Ausscheiden summa cum laude-Dissertationen liefern konnten. Alle sind – obgleich heute als erfolgreiche Anwälte „overbusy“ – dem Lehrstuhl aber nach wie vor durch Mitarbeit an den Kommentaren eng verbunden.

III.

Die zweite Generation wissenschaftlicher Mitarbeiter wurde in dritter Generation abgelöst von zwei Sachlichkeit und Ruhe ausstrahlenden Assistenten, Holger Hoch und Christian Rehm, sowie fünf Assistentinnen: Katharina v. Boesche, Gesa Gosse, Meike Birkenmaier-Schöler, Claudia Viehweger-Mühlenbernd und Susanne Wende. Diese brachten eine unnachahmliche Mischung von Klugheit, Charme und Power mit. Gesa Gosse verhalf als „Hebamme“ der ersten Auflage des Berliner Kommentars zum Telekommunikationsrecht ans Licht der Welt. Claudia Viehweger war mit der Kraft ihres Lächelns das Harmoniezentrum des Instituts. Ihr verdankt es seine immaterialgüterrechtliche Kompetenz. Meike Birkenmaier und Susanne Wende bauten in ihren Dissertationen die europarechtliche Kompetenz des Instituts auf und verkündeten, als viele Juristen noch in einer nationalen Wagenburg-Mentalität lebten, unbequeme Wahrheiten über die Unentrinnbarkeit des EU-Wettbewerbs- und Beihilfenrechts und die Unanwendbarkeit nationalen Rechts, das EU-Recht widerspricht.

IV.

Die vierte Assistentengeneration bestand neben drei Frauen (Lina Böcker, Kerstin Faber und Andrea Berndt) wieder aus drei Assistenten, und zwar Jörg Meinzenbach, Ansgar Schönborn und Maik Wolf. Maik Wolf gehört zum Urgestein des Instituts, er war bereits als studentische Hilfskraft dabei. Sein unbändiger Wille, alte Dogmen in einem Dialog ohne Ende auf die Hörner zu spießen, hat in so manchem Mitarbeiter gelegentlich den Wunsch geweckt, ihn in sein Zimmer einzusperren, damit neu aufgebaute Gedankengebäude nach einer Diskussion mit ihm nicht wieder wie ein Kartenhaus in sich zusammenfielen. Er ist der einzige, der aus dieser Assistentengeneration der Wissenschaft treu geblieben ist. Seit Juni 2020 ist er habilitiert, seit Oktober 2021 ist er Professor für Zivil- und Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Erfurt. Alle Assistenten dieser Generation haben – zum Teil unter erheblichen Geburtswehen, zum Teil aber auch so leicht, wie Athena mit voller Kampfesrüstung dem Kopf des Zeus entsprang – ihre Dissertationen mit summa cum laude geschrieben, dann aber die Arbeit in Unternehmen und Kanzleien der Einsamkeit und Freiheit der Forschung an der Universität vorgezogen. Ich freue mich, wenn sie immer wieder zu Diskussionen und Vorträgen zurückkehren, um am nie endenden und nie vollendeten Dialog der Wissenschaft teilzunehmen.

V.

Zur fünften Assistentengeneration gehören Jochen Mohr, inzwischen Professor an der Uni Leipzig, ferner Nadja Kaeding, die zunächst außeruniversitäre Freuden wie das Kinderkriegen dem Leben an der Uni vorzog, um dann doch noch, wie ihre exzellente Habilitationsschrift zeigt, dem süßen Gift der Universität zu erliegen; sodann Carsten König, geadelt durch eine summa cum laude-Dissertation zum neuen Energie-Infrastrukturrecht und einen an der Harvard University erworbenen LL.M., heute Privatdozent an der Universität zu Köln, sowie Genevieve Baker, unser zivilrechtliches Gewissen mit unbestechliche klarem dogmatischen Blick und trotz englischer Muttersprache mit besten deutschen Examina und einer summa cum laude Dissertation zum Nutzungs- und Wertbegriff im Bereicherungsrecht. Sie ist für uns alle völlig unerwartet und unvorstellbar 2020 gestorben. Wir werden sie nie vergessen.

VI.

Zur sechsten Assistentengeneration gehören Kim Sophie Mengering, Konstantina Bourazeri, Juliane Steffens, LL.M. (Harvard), Xenia Zwanziger, LL.M. (Kapstadt), Asja Zorn-Krauser, die alle mit summa cum laude promoviert haben, sowie Dr. Lajana von zur Gathen, die alle mit vielbeachteten Aufsätzen und Erläuterungen im Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht oder Berliner Kommentar zum Energierecht bzw. Telekommunikationsrecht hervorgetreten sind, sowie Dr. Eleni-Aristea Alevizou, die den Masterstudiengang „European and International Energy Law“ an der TU Berlin unter meiner Leitung exzellent betreut hat. Ihre Arbeit wird von Dr. Susanne Wende, die von der Anwaltschaft in die Wissenschaft zurückgekehrt ist, und von Li Lou, LLM. (Cornell Law School) erfolgreich fortgeführt. Neu hinzu kamen in dieser Phase als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen Dr. Anna Niehoff, Dr. Antonia vom Dahl, LLM. (Stanford), Dr. Sophia Steffensen, LLM. (Amsterdam), Dr. Elisabeth Rexroth und Victoria von Werder LLM. (Harvard).

VII.

Im Leben einer Forschungsprofessur gibt es keine größeren Ereignisse als gelungene Habilitationen und summa cum laude-Dissertationen: Freude und Glückwünsche begleiten die strahlenden Siegerinnen und Sieger, die ihr Ziel konsequent und beharrlich nach der Devise von Hesiod verfolgt haben: „Μακρός δέ καί όρθιος οίμος ες αυτήν.“ Seneca übersetzte dies in seiner Tragödie „Hercules furens“ mit den Worten: „Per aspera ad astra!“ Nur durch harte Mühen gelangt man zu den Sternen. Niemand der von mir habilitierten bzw. promovierten Personen stand je in der Gefahr, trotz der geistigen Strapazen, trotz der Qualen der Wahrheitssuche bei der Fertigstellung der Arbeiten zu einem Hercules oder zu einer Hercula furens zu werden.

In der Liste der habilitierten Schüler und Schülerinnen stehen mit Detlev Joost, Marian Paschke, Kleanthis Roussos und Hartmut Oetker vier Professoren, die bei mir in Kiel habilitierten, und mit Andrea Lohse, Nadja Kaeding, Jan Busche, Jens Füller, Jochen Mohr und Maik Wolf sechs an der Freien Universität Berlin Habilitierte. Nicht unerwähnt bleiben dürfen aber auch die zum engsten Kreis gehörenden „mittelbar” Habilitierten, die Professoren Ebenroth, der nach langer schwerer Krankheit 2014 verstorben ist, Ulrich Runggaldier in Wien, Jianhong Fan in Macao und Takashi Muranaka in Kyoto, Sachihiko Hirakawa in Tokio, Dimitri Travlos-Tzanetatos in Athen, Frank Bayreuther in Passau und Susanne Wende, seit März 2023 Professorin für Wirtschaftsprivatrecht und Unternehmensrecht an der Hochschule München.

VIII.

Die rechtsvergleichenden Forschungsarbeiten hätte ich nicht durchführen können ohne eingehende Zusammenarbeit mit ausländischen Wissenschaftlern. Für intensive Kontakte zur russischen Energierechtswissenschaft, namentlich zu Frau Prof. Dr. Romanova, Frau Prof. Dr. Salieva, Prof. Dr. Gubin und Dozent Dr. Lachno, sorgten Dr. Elena Gretschichnikova, Dr. Adel Aukhatov, Julia Lejeune, Dr. Elena Timofeeva, Dr. Natalia Hohaus-Karpova, Dr. Renate Rabensdorf, Dr. Lina Berezgova, Dr. Nino Kobadze und Dr. Maria Frommann-Zaykova, die alle als wissenschaftliche MitarbeiterInnen dank ihrer russischen Muttersprache und ihrer guten Kenntnisse des deutschen und russischen Rechts die fachliche Verständigung und intensive Diskussion mit unseren russischen Kollegen und Kolleginnen ermöglichten.
Für die chinesische „Connection“ stehen Hui Huang, frühere Doktorandin und Habilitandin in Berlin und heute Professorin an der Beihang University in Peking, Xiaofei Mao, Professorin am staatlichen chinesischen Forschungsinstitut CASS in Peking, Prof. Dr. Fan in Macao, Prof. Dr. Fengliang Jin in Shanghai, Dr. Qian Luan, Li Lou, LLM. (Cornell Law School) sowie weitere chinesische Postdoktoranden. Als Freund und Berater stand mir Prof. Dr. Shinmin Chen, Richter am obersten taiwanesischen Gerichtshof unermüdlich zur Seite.

IX.

Last but not least sind die studentischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hervorzuheben, die durch unermüdliche, flexible und loyale Mitarbeit die unentbehrliche Infanterie für die Forschungsarbeiten gebildet haben. In Unternehmen gilt der Satz: „Umsatz ist nicht alles, aber ohne Umsatz ist nichts!“ Bei uns gilt der Satz: „Studenten sind nicht alles; aber ohne Studenten geht nichts.“ Dieser Satz gilt erst recht für das Sekretariat, das bis Mitte 2018 Katrin Staak geleitet hat. She was the island of continuity and confidence to everybody’s heart in no time. Katharina Ingenhaag hat in Hamburg als Büroleiterin die Arbeit umsichtig und engagiert bis Ende 2022 weitergeführt. In Berlin führt Sandra Lubahn als Organisationsmanagerin souverän die Arbeit fort. In mitten aller Unruhe agiert sie als das Auge eines Zyklons. Für uns alle gilt die Maxime: „Don’t cry – work!“, oder um mit Sheryl Sandberg zu sprechen: „Lean in“ („Hängt euch rein!“).

(Der Bericht endet Mitte 2023.)

Franz Jürgen Säcker